Grenzgebiet
Grenzsteine am historischen Grenzweg erinnern an einstige Landesgrenzen in
unserer engeren Heimat
Einen „Grenzweg", der auch namentlich so ausgeschildert ist, wird ein
Heimatfreund von Kleindembach aus nach Norden etwa 160 Höhenmeter hinauf
mühevoll erreichen; entweder vom Fräßtal oder vom Eichtal aus. Hier im Wald
verläuft er etwa 360 m ü. NN. Er führt nordöstlich nach Hummelshain; diesen
Weg gehen wir etwa 700 m und biegen dann links ab auf den neuen Forstweg, weil
der alte Grenzweg schlecht zu erlaufen ist. Nach 400 m erreichen wir die Marke
„Schwenen" (die doch wie früher ‚Schwäne' heißen sollte). Nach
weiteren 400 m Richtung Hummelshain treffen wir wieder auf den historischen
Grenzweg, den wir bis nach Lichtenau nicht mehr verlassen: wir sind dann in
alten Grenzfluren.
Auf diesem alten Weg gehen wir einen Kilometer weiter, da ist über uns eine
380 kV-Hochleitung, die südlich über die Schuberthöhe und quer über
Langendembach vom Oberland und der Saale trassiert ist. Noch etwa 700 m gehen
wir weiter - immer gesäumt von Grenzsteinen - und sind dabei parallel zur
Ortsstraße und 110 m über Langendembach. Eine Flurmarke zeigt nach rechts
hinunter ins Ullrichstal; nach weiteren dreihundert Metern, links steht eine
kleine Hütte, biegen wir nach rechts ab. Der Grenzweg führt südlich ins Tal
bis zur Flurmarke „Zigeunertanne" an der Forststraße Langendembach -
Hummelshain, den „Toten Mann" hoch.
Vom oberen Grenzweg bis hier herunter ist es etwa einen Kilometer; weiter
führt die Grenze östlich zum „Bettelmann" und dann Richtung Lichtenau.
Seit Jahrhunderten teilte diese Grenze souveräne Staaten in Thüringen. In
der „Blütezeit" der Kleinstaaterei gab es 32 Staaten auf Thüringer
Gebiet. 350 Jahre lang war unsere engere Heimat Grenzgebiet: seit 1567, als u.
a. Kleindembach und Langendembach zum albertinischen Kursachsen gehörte und
damit Landesgrenzgebiet zu den ernestinischen Ländern, wie z. Bsp. Hummelshain,
Langenorla und Schweinitz, wurde.
Ein Weg konnte vom altenburgischen Langenorla durch das weimarische
Kleindembach und das altenburgische Schweinitz über das weimarische Köstitz
zum meiningischen Jüdewein (heute Pößneck) führen, und er war gar nicht so
lang über die vier Landesgrenzen. Mit der erzwungenen Abdankung der Regenten
nach der Novemberrevolution 1918 gab es die Kleinstaaten im Deutschen Reich so
nicht mehr und die Grenzen verloren ihren abtrennenden und auch rechtsetzenden
Inhalt. Erst im Jahre 1920 wurde dann Thüringen staatlich als Freistaat d. h.
frei vom Landesherrn begründet. An dem Grenzweg stehen die schlichten
altenburgischen Grenzsteine, ohne Wappen, etwa 40 cm hoch, aus Sandstein mit der
eingravierten
Inschrift „H A", „1834". Das weist auf die Langenorlaer Flur
hin, die zum Herzogtum Altenburg, später, bis 1918, Sachsen-Altenburg gehörte.
„G W" steht auf der Seite zu Kleindembach auf den Steinen, also Großherzogtum
Weimar, Sachsen-Weimar-Eisenach seit 1815.
Denen gegenüber stehen an diesem Weg doppelt so große, prächtige
Grenzdenkmale aus Sandstein mit manchen Lädierungen aus vergangenen Zeiten. Sie
tragen das kursächsische Wappen mit den gekreuzten Schwertern und den
Buchstaben „F A" sowie „und S Z" mit der Jahreszahl „1730"
- alles kunstvoll vom Steinmetz ausgemeiselt. Solche gewaltigen Grenzsteine
sollten auch den Eindruck eines großen Machtstaates vermitteln: bis zum Jahre
1733 regierte der sächsische König Friedrich August I. - genannt
August der Starke -, versehen mit der Kurwürde; er durfte den Kaiser küren,
d.h. mitwählen.
Der Heimatfreund fragt nach dem Sinn der Buchstaben „S Z"? Sollte das
an das Herzogtum Sachsen-Zeitz erinnern? Jedoch ist schon 1718 (also 12
Jahre vor der Grenzsteinsetzung 1730) die Herrschaft von Sachsen-Zeitz erloschen
und wieder an Kursachsen gefallen. Könnte das Sachsen-Ziegenrück
bedeuten, weil die Ämter Ziegenrück, Arnshaugk und Weida 1567 an Sachsen
fielen.
Kleindembach und Langendembach gehörten also damals zum (albertinischen)
Königreich Sachsen und später zum (ernestinischen) Großherzogtum Sachsen
Weimar - bis 1918 durch den Weg abgegrenzt vom „altenburgischen"
Langenorla und Schweinitz. Die Ernestiner und die Albertiner als Nachkommen der
sächsischen Wettiner (Teilung war 1485) hatten also alle ein sächsisches
Herkommen; daher wird den Herrscherhäusern das ‚Sachsen-' vorgestellt. Heute
ist der Grenzweg immerhin noch die Flurgrenze zu Hummelshain, d. h. die
Kreisgrenze zwischen dem Saale-Holzland-Kreis und dem Saale-Orla-Kreis.
So kann festgestellt werden, dass der Grenzweg über Jahrhunderte stabil
Länder begrenzt hat - wenn sich auch die Landeshoheiten veränderten.
Als die nördlichsten Dörfer gehörten Kleindembach und Langendembach zum
Neustädter Kreis, der seit dem Jahre 1567 an Kursachsen „verpfändet"
war. Erst mit dem Wiener Kongress 1815 wird dieser kursächsische Kreis
(Neustadt/O., Weida) dem neu ernannten Groß-Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
zufallen. Das Königreich Sachsen besitzt damit in Thüringen keine Anteile
mehr.
Die kursächsischen Grenzsteine sind sehr schöne Flurdenkmale, und der
Wanderfreund kommt auf den Gedanken, dass sie nach Jahrhunderten heute zur
Freude der Menschen restauriert werden könnten, ohne ihre ,Patina' zu
verlieren; mindestens einer erst einmal…
Beitrag für das Heimatjahrbuch 2010
Dietrich Böhme, Langenorla
24.6.2009
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