Vermächtnis weiterreichen
Langenorla begeht mit vielen Gästen den Gedenktag zur Befreiung von der Nazi-Diktatur

Von OTZ-Redakteurin Sandra Hoffmann , OTZ vom 10.05.2010
Kleindembach. Gut 200 ehemalige Zwangsarbeiter und ihre Angehörigen, Veteranen, Jugendliche, Politiker und Einwohner der Gemeinde Langenorla haben am Samstag am Mahnmal gegenüber des früheren Porzellanwerkes in Kleindembach der Opfer des Zweiten Weltkrieges gedacht. Am 65. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Diktatur legten sie hier sowie am Grab der drei ermordeten Italiener auf dem Friedhof in Langenorla und an der sanierten Gedenkstätte für die 152 slowakischen Opfer auf dem Friedhof in Kleindembach Minuten des Gedenkens ein und Kränze nieder.
In seiner Rede, die ins Niederländische, Italienische, Englische und. Französische übersetzt wurde, wies Bürgermeister Georg Graven (Bündnis für Langenorla) darauf hin, dass die heutigen Kinder und Jugendlichen an den damaligen Ereignissen der deutschen Geschichte nicht beteiligt waren, die Folgen aber dennoch mittragen müssen. „Vergessen und Verleugnen macht die Vergangenheit nicht ungeschehen", sagte Georg Graven. „Und gerade weil die überlebenden Zeitzeugen immer weniger werden, ist es besonders wichtig, das Vermächtnis der Toten und Überlebenden an die junge Generation wie einen Staffelstab weiterzugeben."
„Wir können die Vergangenheit nicht vergessen", so Worte des 88-jährigen Paul Baert aus Belgien. Vor 65 Jahren ist er auch in Kleindembach gewesen, viele seiner Freunde starben hier, berichtete er und wünschte, dass gemeinsam an einer Zukunft der Toleranz, Freundschaft und Menschlichkeit gearbeitet werde.
Die Erinnerung und das Ge- denken umfasse aber auch diejenigen, die im Bunde der alliierten Truppen zur Befreiung Deutschlands von der Nazi-Herrschaft beigetragen haben, fuhr Graven fort. Stellvertretend für sie weilten Veteranen der US-Armee unter den Gedenkenden und waren bewusst aktive Soldaten der US-Armee, der Bundeswehr und des belgischen Heeres in die 90-minütige Gedenkfeier einbezogen.
Daran, dass Thüringen durch die US-Armee befreit wurde, erinnerte auch das alliierte Militärlager, das nachmittags zu besichtigen war und dessen Diskussion um Kriegsund Militärverherrlichung im Vorfeld am Rande des internationalen Gedenktages in Kleindembach immer wieder Thema war.
Die Teilnehmer des Lagers aus mehreren Nationen trugen die verschiedensten Uniformen, zeigten die Ausrüstung, Fahrzeuge und ein Militärlazarett anno 1945. Interessierte Besucher kamen mit ihnen ins Gespräch und hielten Eindrücke fotografisch fest. „Ich findedas Lager gut. Wir wissen gar nicht, wie es früher war und aussah", sagte Ringo Müller aus Langenorla. „Auch die Kinder können eine Vorstellung bekommen, wie es malwar'1, ergänzte seine Frau Anja. Bei Dieter Seifert weckte das Lager Erinnerungen. „Ich finde die Ausstellung hervorragend. Das sind Erinnerungen an die Zeit, als wäre es gestern gewesen, obwohl es 65 Jahre her ist", sagte der Schweinitzer, der damals sieben war.
Für absurd hielt Landrat Frank Roßner (SPD) die geäußerten Einschätzungen, das Militärlager sei verherrlichend. Vielmehr würdigte er das Engagement der Gemeinde Langenorla, sich konsequent der eigenen Vergangenheit zu stellen. „Eine tolle Geschichte ist das Jugendlager, das Tradition werden könnte. Ich würde mich gern dafür mit einsetzen", sagte er. Seit Donnerstag lebten 90 Jugendliche aus Italien, Belgien, der American High School in Bamberg und der Gemeinde Langenorla in einem Jugendcamp zusammen.
Der internationale Gedenktag, zu dem außerdem ein Europalauf mit etwa 25 Teilnehmern am Nachmittag und das Fest der Völkerverständigung am Abend gehörten, verlief nach Einschätzungen der Polizei in Pößneck friedlich und ohne Vorkommnisse.